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April – Patent 4

EP1455536 Videokodierungs- und Videodekodierungsvorrichtung
Hinweise zum Lesen von Patentschriften:
  • Relevant ist nicht die Anmeldung (A1), sondern die erteilte Fassung (B1, evtl. B2) der Patentschrift. Letztere ist bei espacenet.com als grafische PDF-Datei („Also published as“) abrufbar.
  • Das Entscheidende sind die Ansprüche (Claims), denn hier steht, welche Handlungen durch das Patent lizenzpflichtig werden.
  • Um das Patent zu verletzen, genügt es, einen einzigen der Ansprüche zu verletzen. In der Regel ist Anspruch 1 der entscheidende Hauptanspruch, der alle anderen Ansprüche als Spezialfälle mit abdeckt.
  • Die Beschreibung (Description) soll bei der Auslegung der Ansprüche helfen. Gleichzeitig soll sie das Wissen um die Erfindung dokumentieren und offenlegen. Diese Offenlegung ist der ursprüngliche Zweck des gesamten Patentsystems.
  • In der Praxis enthält eine Patentschrift keine näheren Hinweise darauf, wie der patentierte Vorgang realisiert werden kann, selbst wenn es einem der Patentinhaber per Lizenz gestattet. Insbesondere enthält ein Software-Patent keinen Programm-Code (Referenzimplementation), sondern beschreibt lediglich die Idee zu einer Software.

Patentierte Idee: Wenn verschiedene Bereiche eines Videobildes auf verschiedene Weise komprimiert werden, den Fehler vermeiden, an der Bereichsgrenze beides zu vermischen

Beschreibung: In der Videokompression werden u.a. die folgenden zwei Standardverfahren eingesetzt:

  • Man verschiebt das letzte bekannte Bild, um das nächste Bild vorherzusagen, und speichert nur die Differenz (Interframe-Kodierung, „P-Frame“).
  • Bei plötzlichen Änderungen (z.B. Szenenwechsel) ist diese Methode ineffizient. In diesem Fall wird das nächste Bild wie ein Standbild komprimiert (Intraframe-Kodierung, „I-Frame“).

Anstatt das ganze Bild mit einer dieser beiden Methoden zu komprimieren, kann man es auch in Bereiche zerlegen und diese getrennt mit verschiedenen Methoden komprimieren.

Man könnte nun auf die Idee kommen, für die Vorhersage eines Bereichs auch Bildelemente aus anderen Bereichen heranzuziehen. Das führt aber in manchen Situationen zu Problemen, z.B. bei einem Wechsel der Auflösung.

Die im Patent beanspruchte „Erfindung“ besteht darin, für die Vorhersage eines Bereichs eben keine Bildelemente aus anderen Bereichen heranzuziehen.

Hauptanspruch: Vorhersagedekomprimierung eines Bildbereichs von niedriger zu hoher Auflösung ohne Bezug auf Pixel außerhalb des Bereichs

Sonstige Ansprüche:

  • Spezialfall: Die zu dekomprimierenden niedrigaufgelösten Daten sind durch Komprimieren und Reduktion der Auflösung entstanden.
  • Verwendung des Bisherigen in Kombination mit weiteren Standard-Bildkompressionsverfahren: Bewegungsvektoren, (De-)Quantisierung
  • Das Verfahren an sich, auch ohne daß es durch einen Computer ausgeführt würde

Alltagsparallele: Jemand beschreibt („komprimiert“) für jemand anderen am Telefon einen Film, den er gerade sieht: „Man blickt durch das stillstehende Fenster eines fahrenden Zugs auf eine sich bewegende Landschaft.“ Der andere fragt: „Die Landschaft bewegt sich also aus ihrem Bildausschnitt heraus und verschwimmt mit dem Zuginneren?“ Antwort: „Nein. Die sich bewegende Landschaft bleibt in ihrem Bildausschnitt, das Zuginnere in seinem.“

Hätte er stattdessen gelogen und „Ja, genau.“ geantwortet, hätte er das Patent nicht verletzt, aber dafür einen Bildübertragungsfehler im Grenzbereich zwischen zwei verschieden komprimierten Bereichen in Kauf genommen.

Beispiele für Patentverletzung: Bei der Kombination mehrerer Standard-Kompressionsverfahren in einem Bild ist es naheliegend, die Bereiche konsequent getrennt zu behandeln. Wer dies tut, verletzt das Patent. Wer also auf dem Gebiet der Videokompression forscht, hat ein hohes Risiko, dieses Patent unwissentlich zu verletzen – einfach dadurch, daß er bestimmte Fehler von vorneherein nicht macht.

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