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Hintergründe

Juni/Juli 2006

Neue Weichenstellung zur Durchsetzung von Softwarepatenten in Europa. Nach der Ablehnung der EU-Richtlinie im Jahr 2005 ist das Thema Softwarepatente nicht vom Tisch. Es gibt unverändert zigtausende dieser Patente. Immer wieder neue kommen hinzu, weil das Europäische Patentamt (EPA) sie genehmigt und sie auch bei Einsprüchen für gültig erklärt. Nun hat die EU-Kommission mit ihrer Initiative zur künftigen EU-Patentpolitik eine neue Runde im Streit um die Politik zu Softwarepatenten eingeläutet. Die daraus entstehenden Regelungen könnten laut Expertenmeinung die Tore öffnen für eine Flut von Softwarepatenten und Klagen wegen Patentverletzungen. In der ersten Phase ihrer Initiative hat die EU-Kommission die Meinung von Interessengruppen mittels Fragebogen eingeholt, um eine Grundlage für die öffentliche Anhörung in Brüssel zu schaffen, die am 12. Juli 2006 stattfand. Das Europäische Parlament wird Ende September über eine Resolution zur Patentpolitik entscheiden. In diesem Zusammenhang erwarten Patent-Experten eine intensive Debatte des so genannten EPLA (European Patent Litigation Agreement), das bereits bei der Anhörung der EU-Kommission kontrovers diskutiert wurde.

Das EPLA gewinnt nun an Gewicht, während das seit mehreren Jahren diskutierte Gemeinschaftspatent in den Hintergrund tritt. Durch Inkrafttreten des EPLA würde ein Europäisches Patentgericht (EPG) eingerichtet, das die nationalen Obergerichte, zur Bedeutungslosigkeit degradiert. „Anders als die nationalen Gerichte, die gegenwärtig über Patentverletzungen entscheiden, würde das EPG mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Philosophie des EPA im Hinblick auf Softwarepatente teilen. Das EPG würde solche Softwarepatente, wie sie die nationalen Gerichte gegenwärtig noch für unzulässig erklären, aufrecht erhalten“, so Softwarepatent-Eperte Florian Müller. Zudem würden die Richter des EPG durch genau die Instanzen eingesetzt, welche die im Jahr 2005 gescheiterte EU-Richtlinie zu Softwarepatenten aushandelten. Es ist laut Florian Müller daher zu erwarten, dass das EPG eher den Inhabern von Softwarepatenten gewogen wäre als den Beklagten.

Mit einem Schlag wären die Entscheidungen des EPG zu Gültigkeit und Verletzungen eines Softwarepatentes in allen europäischen Ländern wirksam, in denen das Patent erteilt ist (bisher gibt es einzelne nationale Entscheidungen). Eine Reihe von Signalen großer Unternehmen, nationaler Patentgerichte, des Europäischen Patentamtes (EPA), von Patentanwälten und der EU-Kommission selbst deuten darauf hin, dass das EPLA nun forciert werden soll.

Bemerkenswert sind die Parallelen zu den USA, wo vor mehr als 20 Jahren vergleichbare Schritte unternommen wurden hin zu zentralisierten Streitregelungen durch den auf Patentrecht spezialisierten „Court of Appeals for the Federal Circuit“. Das Resultat war eine Flut von Patentklagen und Softwarepatenten.

Februar 2006

Der Streit um das Thema Softwarepatente geht weiter, obwohl sich die Kritiker im vergangenen Sommer zunächst durchsetzen konnten. Die Ablehnung der EU-Richtlinie durch das Europäische Parlament am 06.07.2005 hat vorerst die Tür für die Legalisierung computerbezogener Patente zugeschlagen. Gleichzeitig wurde die Chance verpasst, durch Verabschiedung der „21 Amendments“ der Vergabe von Softwarepatenten durch die Hintertür einen klaren Riegel vorzuschieben.

Daher bleibt die Rechtsunsicherheit in Europa insgesamt bestehen: Die Unternehmen, die Softwarepatente besitzen, können sie nicht wirtschaftlich verwerten, denn das unverändert geltende Europäische Patentabkommen von 1973 definiert Geschäftsmethoden und Programme als nicht patentfähig. Seit den 80er Jahren wurde diese Regelung jedoch immer wieder neu ausgelegt, verbunden mit Versuchen, die Grenzen der Patentierbarkeit aufzuweichen. Parallel dazu hat das Europäische Patentamt (EPA) immer wieder Patente für Software vergeben.

Nichts deutet darauf hin, dass die vom Europäischen Parlament getroffene Entscheidung gegen die EU-Richtlinie etwas an der Vergabepraxis des EPA ändert. Kritiker fürchten daher nicht nur neue Softwarepatente, sondern vor allem erneute Bestrebungen, Softwarepatente durchzusetzen, zum Beispiel über EU-weit gültige Gemeinschaftspatente. Damit könnte die nachträgliche Legitimierung tausender, vom EPA bereits erteilter Softwarepatente einher gehen.


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