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Presse April

Patent auf Kontextmenü kein Softwarepatent?

Das Patent auf das Kontextmenü – laut Philips kein Softwarepatent – ist nominiert für die Wahl zum „Softwarepatent des Jahres“. Fünf neue Kandidaten stehen im April zur Wahl, darunter Softwarepatente von Microsoft und Fujitsu.

3. April 2006. Für Philips und das Europäische Patentamt (EPA) ist das Patent EP249293 über das so genannte „Pop-Out-Kontextmenü“ kein Softwarepatent. Im Gegensatz dazu wurde dieses Patent im Rahmen der von 1&1, GMX, mySQL, Red Hat und CAS unterstützten Informationskampagne nosoftwarepatents-award zum „Softwarepatent des Monats März“ gewählt. Per Internet-Vote und mit deutlicher Mehrheit (57 Prozent) ist es dadurch nominiert für die Wahl zum „Softwarepatent des Jahres“, die im kommenden Herbst stattfinden wird. Das „Softwarepatent des Monats März“ bezieht sich auf ein zu den meisten Betriebssystemen und zu unzähligen Software-Programmen gehörendes Feature, das mit dem Maus-Zeiger verknüpft ist: Beim Klick auf die rechte Maustaste erscheint ein Menü, aus dem verschiedene Funktionen ausgewählt werden können. Philips hat als Inhaber von EP249293 auf die Nominierung mit einer längeren Stellungnahme reagiert, dessen Bezeichnung als Softwarepatent zurückgewiesen und argumentiert, dass das Patent sich nicht auf „Software als solche“ beziehe. Am Beispiel von EP249293 wird die gesamte Problematik softwarebezogener Patente deutlich, wenn in den Ansprüchen der eingereichten Patentschrift hauptsächlich von einem Standard-Computer und vom damit verbundenen Anzeigegerät – einem Bildschirm – die Rede ist. Einem Software-Entwickler nützt es jedoch nichts, wenn er trotz dieser Art der Patentschrift und trotz fehlender direkter Hinweise auf eine Softwarefunktion mit einer Abmahnung oder mit Lizenzforderungen konfrontiert ist. Problematisch ist auch die Praxis des Europäischen Patentamtes (EPA), Softwarepatente auf Antrag tausendfach zu erteilen: Im Falle von EP249293 hat das EPA die Erteilung sogar trotz des eingereichten Widerspruches aufrecht erhalten.

Stellungnahme des Patentinhabers

Der Philips-Erfinder David Clarke nimmt Stellung zur Nominierung von EP249293: „Ich fühle mich durch die Nominierung dieses Philips-Patentes geehrt, da es sich tatsächlich nicht um ein Softwarepatent handelt. In den 80er Jahren, als wir bereits im Geschäft rund um Bildschirme und Unterhaltungselektronik tätig waren, arbeitete ich am “Viewpoint„-Projekt, das darauf ausgerichtet war, die Handhabung komplexer Unterhaltungselektronik zu vereinfachen. Das Ergebnis vierjähriger Arbeit auf diesem Gebiet war eine sehr innovative Technologie für einfach zu benutzende “Pop-Out-Menüs„, die an der Stelle auftauchen, an der ein Mausklick stattfindet – eine sehr große und innovative Verbesserung für Anwender. Philips investiert jährlich 2,5 Milliarden Euro in Innovation und bietet 18.000 Erfindern die Freiheit zu erfinden und die Gesellschaft mit innovativen Produkten zu versorgen. Ich glaube, dass die High-Tech-Industrie auf Patente angewiesen ist, um Menschen wie mir die Chance für weitere Innovationen zu geben.“

Patentrechtliche Gefahren

Harald Talarczyk, Kampagnenmanager von nosoftwarepatents-award erwidert: „Die Diskussion um Begriffe wie “Software als solche„ verbreitet patentbegrifflichen Nebel, hinter dem Softwarepatente schwerer erkennbar sein sollen. Jenseits davon gilt, dass Inhaber softwarebezogener Patente die Nutzung der aus der Patentschrift hervorgehenden Software-Features einschränken oder sogar blockieren können – vorausgesetzt diese Patente sind tatsächlich rechtlich durchsetzbar. Der daraus folgende wirtschaftliche Schaden kann für betroffene Unternehmen immens sein. Faktisch hat sich jeder, der das Kontextmenü in den vergangenen 19 Jahren in seine Software eingebaut hat, patentrechtlichen Gefahren ausgesetzt. Wir mögen es der Großzügigkeit von Philips zuschreiben, dass das Unternehmen das Patent nicht eingeklagt hat. Andere Unternehmen hätten es eher als strategische Waffe eingesetzt und sich allerhöchstens von den Schwierigkeiten abhalten lassen, solche Klagen bei nationalen Patentgerichten durchzubringen, die viele solcher Patente für unzulässig erklärt haben.“ Klagen zur Durchsetzung von Softwarepatenten könnten durch ein neues europaweites Streitregelungssystem wie es der EPLA-Entwurf darlegt, deutlich aussichtsreicher für Patentinhaber werden: Der EPLA-Entwurf sieht eine neue, einheitliche Patentgerichtsbarkeit oberhalb der nationalen Ebene vor.

Patentschrift als erweiterte Aufgabenbeschreibung

Auch der Softwarepatent-Experte Florian Müller hat sich zur Wahl des Philips-Patentes zum „Softwarepatent des Monats März“ geäußert und stellt in seinem Kommentar zu EP249293 unter anderem fest: „Das Patent monopolisiert das Recht, ein Problem zu lösen, anstatt eine tatsächliche Lösung darzulegen, denn die Lösung wird so vage beschrieben, dass es sich lediglich um eine erweiterte Aufgabenbeschreibung handelt.“ Das Europäische Patentamt (EPA) – ebenfalls zu einer Stellungnahme zum „Softwarepatent des Monats“ eingeladen – weist darauf hin, dass bereits erteilte Patente „praktisch nur noch über ein Einspruchsverfahren erörtert werden können“. Darüber hinaus seien Stellungnahmen nicht möglich. Das EPA hat jedoch 2005 festgestellt, dass es keine Softwarepatente erteilt. Daraus ist zu schließen, dass auch das Patent auf das Kontextmenü vom EPA nicht als Softwarepatent angesehen wird, zumal das EPA auch den Widerspruch gegen EP249293 abgelehnt hat.

Softwarepatente für April-Wahl sind online

Die Informationskampagne nosoftwarepatents-award geht weiter mit fünf Kandidaten für die Wahl des „Softwarepatentes des Monats April“. Ab sofort kann online darüber abgestimmt werden, welches der vom Europäischen Patentamt (EPA) gewährten Softwarepatente ebenfalls für die Wahl zum „Softwarepatent des Jahres 2006“ nominiert sein soll. Darunter finden sich je ein Patent des Softwareherstellers Microsoft, eines gehört dem Technologie-Konzern Fujitsu sowie eines der Techem AG (Wohnungs- und Immobilienwirtschaft). Es handelt sich um die letzten fünf vom EPA erteilten Softwarepatente des Jahres 2005.


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