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Presse – September

Softwarepatent bedroht Entwickler von Spam- und Viren-Filtern

Monopolrecht der Leipziger Nutzwerk GmbH zum „Softwarepatent des Monats August“ gewählt – Kritiker: Deutsches Patent- und Markenamt verlieh Patent auf „Individuelles Filtern von Informationen“ entgegen geltendem Recht – Wirtschaftliche Risiken für Entwickler von Spam- und Viren-Filtern

5. September 2006. Das Softwarepatent DE10048113 der Leipziger Nutzwerk GmbH bedeutet für Entwickler von Antispam-, und Antiviren-Programmen erhebliche wirtschaftliche Gefahren. Auch E-Mail-Filtersysteme sind betroffen. Dies folgt aus dem im Patent beanspruchten Monopolrecht für das nutzerindividuelle Filtern von Informationen in einem Netzwerk. Grund genug für über 50 Prozent aller Abstimmenden, dieses Patent im Rahmen der Informationskampagne nosoftwarepatents-award zum „Softwarepatent des Monats August“ zu wählen. Das im Jahr 2002 vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) genehmigte Nutzwerk-Patent ist damit nominiert für die im Herbst 2006 stattfindende Wahl des „Softwarepatentes des Jahres 2006“.

Eine solche Nominierung bleibt dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS erspart. Dessen MP3-Patent EP0719483, für das Thomson auch in Europa die Lizenzgebühren einsammelt, lag im Verlauf der Abstimmung zwischenzeitlich gleichauf mit dem „Monatssieger“ DE10048113 und landete erst später auf den zweiten Platz (zuletzt rund 28 Prozent aller Online-Votes). Insgesamt verzeichnet Kampagnenmanager Harald Talarczyk im August eine Rekordbeteiligung: „Über 4.800 Internet-Votes belegen eine wachsende Teilnehmerzahl. Alle fünf von uns im letzten Monat präsentierten Softwarepatente wurden mit Innovationspreisen ausgezeichnet. Diese Auszeichnungen lassen an technischer oder gar wirtschaftlicher Kompetenz der Jurys zweifeln. Im August waren die Online-Voter – wie in den Vormonaten – dazu aufgerufen, das nach ihrer Meinung schädlichste dieser Softwarepatente zu wählen“. Auch der Kreis der bisherigen Kampagnenpartner 1&1, GMX, mySQL, Red Hat und CAS hat sich vergrößert: Neu hinzugekommen ist die Jedox GmbH, Anbieter Open-Source-basierter Business-Intelligence-Lösungen.

Softwarepatent laut Kritikern gegen geltendes Recht erteilt

Das als Verfahrenspatent formulierte „Softwarepatent des Monats August“ bezieht sich auf „Vorrichtungen und Verfahren zum individuellen Filtern von über ein Netzwerk übertragener Information“. Die auffällig breit angelegten Monopolansprüche patentieren Prinzipien, die laut Fachleuten schon lange vor Vergabe des Patentes zum Einsatz kamen. Aus Expertensicht wirft alleine dies ein schlechtes Licht auf die Vergabepraxis des DPMA, weil der so genannte „Stand der Technik“ dort offenbar nicht bekannt gewesen sei. Unabhängig davon – so die weitere Kritik – hätte das Softwarepatent aufgrund geltenden Rechts niemals erteilt werden dürfen, weil das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) seit den 70er Jahren die Patentierung von Softwarepatententen ausschließe. Auf Einladungen der Organisatoren des nosoftwarepatents-award zu einer Stellungnahme hat das DPMA nicht reagiert.

Nutzwerk widerspricht Kritikern

Der Kritik widerspricht die Stellungnahme von René Holzer, Geschäftsführer und Inhaber der Nutzwerk GmbH: Das Patent DE10048113 habe die Möglichkeit geboten, „eine Kerntechnologie für das Internet zu entwickeln und in mehrjährigen Stufen zur Marktreife zu führen“. Auf dieser Grundlage vermarktet Nutzwerk heute das Produkt Safersurf. Die Frage, welche Maßnahmen Nutzwerk gegen Unternehmen vorsieht, die das Patent DE10048113 verletzen, beantwortetet René Holzer so: „Jede Verletzung gegen unser Patent muss individuell geprüft und individuell entschieden werden.“ Es sei nicht vorgesehen „das Patent als Verhandlungsmaterial“ in „Verhandlungen mit Wettbewerbern einzusetzen“. Als Hauptgrund, das Patent DE10048113 zu beantragen, nennt der Geschäftsführer, dass es die Fremdfinanzierung, unter anderem durch deutsche Banken, erleichtert habe. (komplette Stellungnahme)

Unnötige rechtliche Auseinandersetzungen

Hauke Duden, technischer Direktor bei Ashampoo, sagt zum „Softwarepatent des Monats August“: „Wir beobachten derartige Patente immer mit Besorgnis. Das Patent scheint sich auf Verfahren zu beziehen, die beispielsweise in automatischen Email-Virenscannern seit Jahren zum Einsatz kommen. Insofern stellt sich natürlich auch die Frage, ob das Patent nicht allein schon deshalb vom Patentamt hätte abgelehnt werden müssen. Es könnte für Ashampoo als Hersteller von Firewall-, Antispyware- und Antiviren-Produkten unnötige und arbeitsintensive rechtliche Auseinandersetzungen bedeuten. Das heißt, selbst wenn wir uns letztendlich durchsetzen, werden durch solche Patente viele Ressourcen verschwendet, die wir ansonsten in die Softwareentwicklung gesteckt hätten.“

Mittelstand fürchtet juristisch durchsetzbare Softwarepatente

Marco Schulze kommentiert als Sprecher von Patentfrei.de: „Es handelt sich um ein großartiges Beispiel für Softwarepatente: Wenig bis keine Innovation kombiniert mit einer äußerst abstrakten Formulierung und damit sehr breiten Monopolansprüchen. Würde dieses Patent – zusammen mit zigtausend weiteren, vom EPA erteilten Softwarepatenten – in Europa juristisch durchsetzbar, verwandelte sich die derzeit hoch-innovative, mittelständisch geprägte Softwarebranche in ein juristisches Schlachtfeld.“ (kompletter Kommentar)

Softwarepatent getarnt als Verfahrenspatent

Das „Softwarepatent des Monats August“ steht auch hinter dem Sonderpreis, den Nutzwerk „für seinen patentierten Echtzeit-Datenfilter“ im Rahmen des Innovationspreises der Stadt Leipzig 2001 erhielt. Gestiftet wurde der Sonderpreis von Roland Berger Strategy Consultants. Auf Einladung zu einem Kommentar durch die Award-Organisatoren lautete die Antwort, dass den Verlautbarungen aus dem Jahr 2001 nichts hinzuzufügen sei. Unbeantwortet bleibt die Frage, wieso Roland Berger Strategy Consultants ein Unternehmen unterstützte, das freimütig auf seiner Website feststellt, es lasse sich nicht davon abschrecken, dass Software nicht patentierbar sei. Man müsse nur ein 'Softwarekonzept in ein Verfahren' umwandeln, denn 'Verfahren und Vorrichtungen' ließen eine Patentierung zu. „Das entspricht einer Anleitung, wie der Ausschluss von Softwarepatenten von der Patentierbarkeit zu umgehen sei. Ob auch diese Vorgehensweise für preiswürdig erachtet wurde, war von Roland Berger leider nicht zu erfahren“, kommentiert Harald Talarczyk.

Die Kandidaten für die Wahl im September

Fünf neue, zufällig ausgewählte Softwarepatente stehen ab sofort unter nosoftwarepatents-award.de zur Wahl im September. Die vom Europäischen Patentamt (EPA) erteilten Softwarepatente befassen sich mit Statistiken für defekte Produkte, Navigationssystemen, mit der Abrechnung von Internet-Inhalten sowie digitalen Signaturen. Leser und Interessierte sind eingeladen, dem nach eigener Meinung schädlichsten Softwarepatent ihre Stimmen zu geben.

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