August – Patent 1
EP0719483
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Verfahren zum Bestimmen der zu wählenden Codierungsart für die
Codierung von wenigstens zwei Signalen
Hinweise zum Lesen von Patentschriften:
- Relevant ist nicht die Anmeldung (A1), sondern die erteilte Fassung (B1, evtl. B2) der Patentschrift. Letztere ist bei espacenet.com als grafische PDF-Datei („Also published as“) abrufbar.
- Das Entscheidende sind die Ansprüche (Claims), denn hier steht, welche Handlungen durch das Patent
lizenzpflichtig werden.
- Um das Patent zu verletzen, genügt es, einen einzigen der Ansprüche zu verletzen. In der Regel ist Anspruch 1 der
entscheidende Hauptanspruch, der alle anderen Ansprüche als
Spezialfälle mit abdeckt.
- Die Beschreibung (Description) soll bei der Auslegung der Ansprüche helfen.
Gleichzeitig soll sie das Wissen um die Erfindung dokumentieren
und offenlegen. Diese Offenlegung ist der ursprüngliche Zweck des
gesamten Patentsystems.
- In der Praxis enthält eine Patentschrift keine näheren Hinweise darauf, wie der patentierte Vorgang realisiert werden kann, selbst wenn es
einem der Patentinhaber per Lizenz gestattet. Insbesondere enthält
ein Software-Patent keinen Programm-Code (Referenzimplementation),
sondern beschreibt lediglich die Idee zu einer Software.
Patentierte Idee: Die Ähnlichkeit zweier Musikdatenströme anhand der hörbaren
Unterschiede bewerten
Hauptanspruch (Anspruch 3): Bei der Berechnung eines Ähnlichkeitsmaßes zweier Musiksignale zum
Zwecke der Auswahl einer geeigneten Kompressionsmethode die
bekannten Erkenntnisse der Psychoakustik miteinbeziehen
Sonstige Ansprüche:
- Mindestens eins der beiden Signale verlustbehaftet komprimieren
und wieder dekomprimieren und das Ergebnis in die
Ähnlichkeitsbewertung einfließen lassen
- Verschiedene Ansätze, in welcher Form man die Ergebnisse der
Psychoakustik ins Spiel bringt
- Wenn die Signale als „ähnlich“ eingestuft wurden, gemeinsam komprimieren
(Durchschnitt/Differenz), ansonsten getrennt
Beschreibung: Bei der Kompression von Stereo-Musik ist es Standard, anstelle der
einzelnen Kanäle deren Durchschnitt und Differenz zu komprimieren.
Dies ist dann sinnvoll, wenn sich die Kanäle ähneln. Die Idee, bei
der Entscheidung „Ähnlich oder nicht?“ die – als bekannt vorausgesetzten – Erkenntnisse der Psychoakustik zu berücksichtigen, wird hier
patentiert.
Bei dem vorliegenden Patent handelt es sich um eins von mindestens 20, die den MP3-Standard für Musikkompression betreffen. Die o.a.
Innovationspreise beziehen sich auf das gesamte Patent-Portfolio.
Insofern lohnt es sich, weitere Patente aus dem MP3-Pool zu
studieren, beispielsweise EP0287578 und EP0803989.
Alltagsparallele: Ein Musikliebhaber möchte seine Sammlung ausdünnen (komprimieren).
Bei zwei Tonträgern ist er sich vom Aufdruck her nicht sicher, ob es
sich um dieselbe Einspielung desselben Stücks handelt, daher hört er
sich beide an und entscheidet „nach Gehör“, ob die Aufnahmen „gleich genug“ sind, daß er es verschmerzen kann, eine davon zu verkaufen.
Beispiele für Patentverletzung:
- Jede Software zur Erzeugung von MP3-Dateien
- Das Musikdatenformat Ogg Vorbis wurde gezielt als patentfreie Alternative zu MP3 entwickelt. Laut Aussage des Patentinhabers soll jedoch auch Ogg Vorbis von den MP3-Patenten betroffen sein,
zu denen dieses Patent gehört. Eine gerichtliche Klärung steht
noch aus.
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