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Softwarepatent
des Jahres 2006

April – Patent 2

EP1085461 – Verfahren zur Handhabung von Baumdatenstrukturen für die räumliche Navigation

EU-Patent auf Software (Algorithmus)
Anmeldung beim Europäischen Patentamt durch Franck Jean Frédéric Perdrizet (Frankreich)
Gewährt am 28.12.2005
Patentschrift beim FFII/Gauss
Patentschrift beim EPO/espacenet

Hinweise zum Lesen von Patentschriften:

Relevant ist nicht die Anmeldung (A1), sondern die erteilte Fassung (B1, evtl. B2) der Patentschrift. Letztere ist bei espacenet.com als grafische PDF-Datei („Also published as“) abrufbar.
Das Entscheidende sind die Ansprüche (Claims), denn hier steht, welche Handlungen durch das Patent lizenzpflichtig werden.
Um das Patent zu verletzen, genügt es, einen einzigen der Ansprüche zu verletzen. In der Regel ist Anspruch 1 der entscheidende Hauptanspruch, der alle anderen Ansprüche als Spezialfälle mit abdeckt.
Die Beschreibung (Description) soll bei der Auslegung der Ansprüche helfen. Gleichzeitig soll sie das Wissen um die Erfindung dokumentieren und offenlegen. Diese Offenlegung ist der ursprüngliche Zweck des gesamten Patentsystems.
In der Praxis enthält eine Patentschrift keine näheren Hinweise darauf, wie der patentierte Vorgang realisiert werden kann, selbst wenn es einem der Patentinhaber per Lizenz gestattet. Insbesondere enthält ein Software-Patent keinen Programm-Code (Referenzimplementation), sondern beschreibt lediglich die Idee zu einer Software.

Patentierte Idee: Verwendung von Baumdatenstrukturen für räumliche Navigation

Hauptanspruch: Eine Landkarte wird in eine oder mehrere Ebenen von Rasterwürfeln („digitale Rasterzellen“) aufgeteilt, die in einer Baumdatenstruktur verwaltet werden. Auf diese Weise werden Länge, Breite und Höhe zu einer einzigen „Ternärkoordinate“ (Index innerhalb der Baumdatenstruktur) zusammengefaßt.

Sonstige Ansprüche:

Durchführung von Verschiebeoperationen in Ternärkoordinaten
Durchführung von Zoomoperationen in Ternärkoordinaten durch Präfix/Suffix
Darstellen einer Ansicht von 3x3 Rasterzellen
Verschieben/Zoomen der Ansicht mittels Ternärkoordinaten
Erweiterung der 3x3-Ansicht um weitere Ringe
Steuerungsoberfläche für Verschiebeoperationen

Beschreibung: Die Patentschrift erklärt, ähnlich wie jedes Programmier-Lehrbuch, die Begriffe „Baumdatenstruktur“ und „Ternärkoordinate“ und diskutiert die Vor- und Nachteile dieser Art der Datenspeicherung.

Das Wort „Ebene“ wird in der Patentschrift in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet: zum einen im räumlichen Sinne als Höhenangabe, zum anderen als Bezeichnung für die Rekursionstiefe innerhalb der Baumdatenstruktur.

Alltagsparallele:

Baumdatenstruktur, Ternärkoordinate: Ich frage den Kapitän eines Frachtschiffs, wo innerhalb der Ladung sich eine bestimmte Schachtel befindet, und erhalte eine Baumdatenstruktur-Ternärkoordinate als Antwort: „Der Container ist der 2. vom Bug, 1. von Backbord, 3. Stapelebene. Darin ist es die 4. Kiste von vorne, 3. von links, 2. Stapelebene. Darin wiederum ist es die 7. Schachtel von vorne, 6. von links, 5. Stapelebene.“ Ohne Baumdatenstruktur hätte die Antwort lauten können: „9,43m vom Bug, 3,31m von Backbord, 9,12m über Ladefläche“, was zwar kürzer wäre, aber schwerer zu finden.
Verschieben in Ternärkoordinaten: Der Kapitän korrigiert seine Antwort: „Entschuldigung, das war falsch. Die Schachtel liegt einen Container weiter vorne und zwei Kisten weiter rechts.“
Herauszoomen: Wenn mir die Angabe der Kiste genügt, lasse ich denjenigen Teil der Ternärkoordinate, der sich auf die Schachtel innerhalb der Kiste bezieht, einfach weg. Hereinzoomen geht entsprechend umgekehrt.
Auch die Unterteilung der Welt in Staat, Stadt, Straße, Hausnummer, Stockwerk ist eine Baumdatenstruktur, und die Postanschrift ist eine Ternärkoordinate. Um das Patent nicht zu verletzen, müßte man Postanschriften abschaffen und Briefe stattdessen mit „50°43' nördliche Breite, 7°6' östliche Länge, 51,3m über Normalnull“ beschriften.

Beispiele für Patentverletzung: Die beanspruchte Methode, Raumdaten zu speichern, ergibt sich auf natürliche Weise aus der Problemstellung. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß zahlreiche existierende Flugsimulatoren und sonstige Programme, die mit räumlicher Navigation arbeiten, dieses Patent verletzen.

Voriges Patent