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Kommentar von Jens Mundhenke zur Wahl des Patentes EP1056268 von Lucent Technologies zum „Softwarepatent des Monats Mai“

Dipl.-Volksw. Dipl.-Kfm. Jens Mundhenke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel.

Mit dem Patent „EP1056268 - Verfahren und Gerät zum Erzeugen und Versenden von strukturierten Sprachpostnachrichten“ werden grundlegende Prinzipien rechtlich geschützt, welche die Basis für technische Standards zum Versand strukturierter Nachrichten - z.B. per E-Mail - bilden. Das Patent macht deutlich, dass eine effiziente Ausgestaltung des Patentsystems aus ökonomischer Sicht besondere Sorgfalt erfordert, um eine angemessene Balance zwischen den positiven Anreizwirkungen eines exklusiv wirkenden Patentschutzes und den negativen Auswirkungen des resultierenden Monopols zu finden (vgl. den Kommentar von Joachim Henkel zum „Softwarepatent des Monats April“).

Software und IT-Produkte weisen die Eigenschaft eines Netzwerkgutes auf: je mehr andere Konsumenten sich für das gleiche (oder ein kompatibles) Gut entscheiden, desto höher ist der Nutzen diese Gutes für jeden einzelnen Anwender. Die Nutzungsentscheidung eines einzelnen Konsumenten wirkt sich somit direkt auf die Nutzungsentscheidungen anderer Konsumenten aus - der Ökonom spricht von Netzwerkeffekten.

Wenn - wie beim „Softwarepatent des Monats Mai“ denkbar - ein technischer Standard, der die Kommunikation und den Datenaustausch regelt, durch Patente geschützt ist und bei restriktiver Durchsetzung exklusiv vom Inhaber dieses Patents genutzt werden kann, so bedeutet dies, dass ausschließlich dessen Kunden miteinander kommunizieren und als Nutzer der patentierten Technologie untereinander ein Netzwerk aufbauen könnten. Anderen Anbietern (und damit deren Kunden) wäre der Zugang zu diesem Netzwerk verwehrt, sie müssten eigene Technologien entwickeln und ein alternatives, zur patentierten Technologie inkompatibles Netzwerk für die eigenen Kunden aufbauen.

Selbst in Fällen, in denen eine Umgehung der patentierten Technologie möglich ist, bedeutet dies aus volkswirtschaftlicher Sicht zum einen eine ineffiziente Nutzung knapper Ressourcen, weil eine ähnliche Technologie zweimal entwickelt werden muss. Zum anderen kann dies mit einer ineffizienten Adoption der patentlich geschützten (sowie der alternativen) Technologie einher gehen, weil die Anwender nicht sicher sein können, ob sich genügend andere Nutzer für die gleiche Technologie entscheiden, ob sich ein hinreichend großes Netzwerk herausbilden kann und welche Technologie sich im Markt durchsetzen wird.

Bei einer Patentierung – und damit einer Privatisierung – technischer Standards besteht somit die Gefahr einer unzureichenden Interoperabilität im Markt, welche der Herausbildung von angebots- und nachfrageseitig wünschenswerten Netzwerkeffekten entgegensteht und als Marktbarriere den Eintritt konkurrierender Anbietern in einen Markt erschwert oder sogar verhindert. Die Herstellung und der Erhalt von Interoperabilität sind in diesem Zusammenhang als bedeutsame Voraussetzung für den Wettbewerb auf Software- und IT-Märkten zu sehen. Dies erfordert einen besonderen rechtlichen Schutz, d.h., dass auch Maßnahmen zur Herstellung von Kompatibilität nicht aufgrund von Patenten behindert werden dürfen.


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